Zeitreisen – ein seit langer Zeit ein populäres Thema in Literatur, Filmen und Spielen. Wer hat noch nicht davon geträumt, falsche Entscheidungen aus der Vergangenheit zu korrigieren oder zu schauen, was die Zukunft auf Lager hat? Gerne wird dabei vergessen, dass so etwas nahezu unabsehbare Folgen haben kann – wie wir in „Quantum Break“ selbst erfahren dürfen. Kann man Zukunft und Spielgeschehen tatsächlich beeinflussen oder bewegt man sich auf Schienen? Lest unseren Test und findet es heraus.
Zurück zur Uni
„Quantum Break“ lässt uns in die Haut von Jack Joyce schlüpfen, der seinen Bruder Will Joyce und seinen alten Freund Paul Serene an der Riverport University besucht. Angeblich wird dort an etwas ganz Besonderem gearbeitet – und tatsächlich, man Will und Paul beschäftigen sich mit keinem geringeren Thema als dem Zeitreisen. Jack Joyce, der keinen wirklichen wissenschaftlichen Hintergrund hat, wird Zeuge der ersten Zeitreise, die Paul vornimmt. Dummerweise gab es dabei einen Riss in der Zeit, der zum Ende derselben führen wird. Jack möchte das wieder ausbessern, dabei gibt es aber ein großes Problem: Paul Serene stellt sich dabei als Widersacher heraus, der mit seinen Schergen von Monarch Security alles daran setzt, Jack von der Reparatur abzuhalten.
Schon zur Ankündigung von „Quantum Break“ war klar, dass der Titel ein Third-Person-Shooter wird. Das ist allerdings längst nicht alles, die Entwickler von Remedy wollten mehr aus dem Spiel machen. Zwar dürften die Shootouts tatsächlich den größten Teil vom Gameplay ausmachen, es gibt aber sowohl einige Rätsel als auch Jump-and-Run-Passagen. Und dann ist da auch noch die nicht zu vernachlässigende Erzählkomponente. Einmal mehr versucht man, Videospiel und Fernsehserie/Film zu vereinen. Zwischen den fünf Kapiteln des Spiels warten nicht nur Cutscenes in Spielgrafik, sondern auch insgesamt vier Serienepisoden mit echten Schauspielern.
Staraufgebot
Und hier glänzt „Quantum Break“ so richtig: Die Rollen der Charaktere werden von namhaften Schauspielern übernommen – zwar nicht die erste Hollywood-Riege, aber durchaus Mimen, die man schon einmal gesehen hat. Will Joyce etwa wird von Dominic Monaghan (Lost, Der Herr der Ringe) gespielt, Paul Serene von Aidan Gillen (Game of Thrones, The Wire). Überhaupt konzentriert sich „Quantum Break“ stark darauf, die Geschichte zu erzählen – alleine die Serienepisoden nehmen schon rund zwei Stunden in Anspruch. Überall in der Spielwelt gibt es Notizen, Laptops und ähnliches zu finden, die uns ein kleines Stückchen weiter in die Story eintauchen lassen.
Nach den einzelnen Kapiteln des Spiels gibt es dann sogenannte Entscheidungspunkte – hier muss man den weiteren Pfad der Handlung wählen, und zwar aus der Perspektive des Bösewichts Paul Serene. Ohne jetzt zu sehr ins Detail gehen zu wollen: Die Auswirkungen der eigenen Entscheidungen halten sich in engen Grenzen. Es springen zwar unterschiedliche Nebenrollen über die Klinge, am roten Faden der Story ändert das aber letztendlich alles nichts.
Zeit verbiegen
Die Spezialität von „Quantum Break“ ist aber die Zeitmanipulation. Die Entwickler von Remedy haben ja von je her ein Händchen für ungewöhnliche Spielmechaniken, und das erstreckt sich auch auf ihren jüngsten Titel. Unser Held Jack Joyce kann die Zeit in einem engeren örtlichen Bereich manipulieren. Dadurch eröffnen sich im Kampf ein paar sehr nette Möglichkeiten: Man ist nicht auf seine (recht unspektakulären) Schußwaffen beschränkt, sondern kann Gegner einfrieren, besitzt eine Schutzkuppel, an der Geschosse abprallen, kann mehrere Gegner mit einer Zeitexplosion unschädlich machen oder die Zeit verlangsamen, so dass man in relativem Affentempo hinter die Gegner hechten kann, um sie von ihrer schwächsten Seite anzugreifen. Hinzu kommt noch der Zeitblick, der Gegner, Sammelgegenstände, Waffen und sonstige Items farbig markiert anzeigt.
Anfänglich fühlten wir uns da ein wenig überfordert: Wieso einen einzelnen Gegner einfrieren, wenn man mit konventionellem Deckungs-Gameplay auch alle Feinde ausgeschaltet kriegt? Ungefähr zum dritten Kapitel hatten wir uns daran gewöhnt, die verschiedenen Fähigkeiten auch konsequent auszunutzen – und das macht verdammt viel Spaß. Man kann das Ganze schön verketten: Drei Gegner auf einem Haufen werden mit einer Zeitexplosion ausgeschaltet, der heranstürmende Kollege wird eingefroren und ausgeschaltet, wir nutzen die Zeitverlangsamung, um den schweren Shotgun-Soldaten von hinten anzugreifen, und falls uns unterwegs die Luft ausgeht, nutzen wir die Schutzkuppel, die nicht nur Energie spendet, sondern auch gleich Gegner in der Nähe zurückstößt. Durch das Einsammeln von mehr oder wenige versteckten Chrononquellen kann man diese Fähigkeiten auch noch weiter ausbauen.
Nachdenklich
Wir haben es eingangs ja bereits angesprochen: Es gibt nicht nur reine Balleraction in „Quantum Break“, auch ein paar Rätsel und Jump-and-Run-Sequenzen warten auf den Spieler. Dabei wirkt das alles auch immer ziemlich voneinander abgetrennt, beinahe episodisch: Ballern, Ballern, Rätsel, Jump-and-Run, Ballern, Rätsel. Schlimmer ist dabei allerdings, dass sich die Rätsel anfühlen, als seien sie kaum mehr als eine Ausrede, die verschiedenen Zeitfähigkeiten zu demonstrieren. Und die Geschicklichkeitspassagen sind stellenweise sogar ziemlich nervig, da man in der Regel ziemlich genaues Timing an den Tag legen muss.
Und das ist dann auch schon die größte Beschwerde, die wir an „Quantum Break“ haben: Wollten die Entwickler zu viel? Die Shooter-Passagen sind großartig, sobald man den Dreh einmal raus hat – allerdings fühlen sich die meisten anderen Bestandteile des Spiels so an, als würden sie diese Action eher bremsen oder zumindest unterbrechen. Sicherlich, gerade die Sammelgegenstände ergeben einen sehr guten Einblick in die Welt von „Quantum Break“ – dadurch, dass man pro Kapitelabschnitt aber bis zu 20 solcher Gegenstände finden kann, ist man aber wirklich lange mit Lesen beschäftigt, was den Spielfluss wiederum beeinträchtigt.
Meckern, meckern, meckern
Bei „Quantum Break“ gilt wohl: Das Gesamtpaket macht’s. Während man mit erneutem Durchspielen, den verschiedenen Ausrichtungen der Episoden, Cutscenes und Sammelgegenständen sicherlich 15-20 Stunden verbringen kann, ist das reine Gameplay dann doch eine ganze Ecke kürzer: Bricht man jegliche Zwischensequenzen ab, verzichtet auf Sammeleien und gibt sich nur dem Spielen selbst hin, ist man nach rund fünf Stunden durch – ein bisschen mager. Dabei darf man dann aber auch nicht vergessen, dass „Quantum Break“ mehr sein möchte als einfach nur ein Shooter, so fair muss man dann schon sein.
Es gibt noch eine Reihe kleinerer Dinge, die uns aufgefallen sind – etwa Checkpoints, die unvorteilhaft gesetzt sind. Dabei geht es nicht darum, dass man nach einem kleinen Fehler das komplette Level neu spielen müsste, aber häufig sind die Checkpoints vor schwierigeren Passagen so gesetzt, dass man zuvor noch eine Cutscene schauen oder einen kurzen Schusswechsel wahrnehmen muss. Wenn man das dann drei, vier oder fünfmal wiederholen muss, nervt es schon ziemlich. Dennoch: Nichts, was das Spielerlebnis nachhaltig ruinieren würde.
Bei Technikplagen – Tech-Nick tragen
Man hat es ja mitbekommen: „Quantum Break“ läuft nur mit einer Auflösung von 720p, die nachträglich auf 1080p aufgepustet wird. Das sorgte für erboste Aufschreie – und ja, rein prinzipiell verstehen wir den Ärger vieler Spieler auch: Muss man im Jahr 2016 auf einer aktuellen Spielkonsole noch mit weniger als 1080p auskommen? Letztendlich sieht aber gerade „Quantum Break“ großartig aus – völlig unabhängig von der eingesetzten Auflösung. Trotz 720p beschränkt sich das Kantenflimmern auf ein Minimum, da sind höher aufgelöste Spiele schon deutlich schlechter davongekommen. Die Charaktere sehen ihren Vorbildern verdammt ähnlich und sind sehr detailliert, die Spielwelt ist dicht besiedelt und sieht realistisch aus. Und dann ist da ja auch noch das wahre Effektfeuerwerk, das Remedy abbrennt: Anomalien, die den Raum krümmen, riesige Objekte, die mitten in ihrer Bewegung erstarren, Partikel- und Lichteffekte – und das alles ohne Ruckler. Einzig die Tatsache, dass Texturen teilweise deutlich zu spät geladen werden, trüben das positive Bild ein wenig.
Fleisch und Fisch
Es schmerzt uns ein wenig – aber „Quantum Break“ ist wohl nicht so ganz der erhoffte Systemseller geworden, der die Menschen auf der ganzen Welt zur Xbox One bekehren wird. Man ging ambitioniert zur Sache, und das zeigt sich in vielen Bereichen auch: Gerade die Shooter-Passagen machen unheimlichen Spaß und sind dank der Fähigkeiten so cool wie beim ersten „Max Payne“ vor vielen Jahren. Wer sich gerne in einer umfangreichen und komplexen Story verliert und kein Problem mit 25-30 Minuten Videosequenzen zwischen den Kapiteln hat, wird auch durchaus auf seine Kosten kommen.
Wenn man allerdings nur auf eine zünftige Ballerei aus ist, wird man sich wohl darüber ärgern, dass „Quantum Break“ eine tolle Mechanik mitbringt, insgesamt aber zu wenig Umfang besitzt. Es ist auch nicht jedermanns Fall, ein Spiel mehrfach durchzuspielen, nur um eine rudimentär unterschiedliche Story erleben zu dürfen.
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