Manga und Anime müssen nicht immer quietschbunt und voller übertriebener, aber unbeschwerter Action sein. Jeder, der über den „Dragon Ball“- oder „Naruto“-Horizont hinaus blickt, wird entdecken, dass es jede Menge ernste und/oder düstere Themen zu entdecken gibt. So wie etwa im Fall von „Attack on Titan: Wings of Freedom“, der neuen Versoftung des gleichnamigen Animes. Was es damit auf sich hat, erfahrt Ihr in unserem Test.
Angriff der 50-Fuß-Zombies
In „Attack on Titan: Wings of Freedom“ geht es nicht darum, irgendwelche kleinen Viecher einzufangen und diese dann gegeneinander kämpfen zu lassen – es ist ein ungleich ernsterer und finsterer Ausblick auf eine fiktive Zukunft, in der die Menschheit zusammengepfercht in wenigen, von riesigen Mauern geschützten Städten lebt. Und das ist deshalb notwendig, weil es riesige Titanen gibt, die zombiehaft durch die Gegend marodieren und mit Vorliebe Menschen fressen.
Viele Jahre haben die Mauern die Titanen davon abgehalten, die Menschheit weiter zu dezimieren. Da sie aber einen ziemlich langen Atem haben und überdies zumindest teilweise nicht ganz so hirnlos wie Zombies sind, schaffen sie es irgendwann, die Mauern zu durchbrechen. Glücklicherweise haben die Titanen so etwas wie eine Achillesferse im Genick – und das machen sich die menschlichen Verteidigungstruppen zu nutze.
Spider-Armin
„Attack on Titan: Wings of Freedom“ orientiert sich ziemlich genau an der Handlung der ersten Staffel der Anime-Reihe. Und dementsprechend erleben wir die Geschichte auch aus der Handlung der drei Freunde Eren Jäger, Mikasa Ackermann und Armin Arlert. Wir müssen die Titanen bekämpfen, und dabei dürfte klar sein, dass man sich nicht einfach mit einer Leiter neben diese (teilweise überraschend schnellen) Geschöpfe stellt, um darauf zu kraxeln und ihnen ein Loch in den Nacken zu popeln. Stattdessen nutzen wir Stahlseile, an denen wir uns – wie eine Mischung aus Spider-Man und Rico Rodriguez aus „Just Cause“ durch die Gegend schwingen.
Und ab hier wiederholen sich die Ereignisse dann über den kompletten Spielverlauf: Von Titan zu Titan schwingen, zum Genick vorarbeiten, Titan ausschalten und zwischendurch Ressourcen nachfüllen. Das funktioniert gut und macht zumindest vorübergehend durchaus Spaß, da die Stahlseil-Schwingerei recht lustig ist. Der Reiz hinter „Attack on Titan: Wings of Freedom“ liegt in der Kombination aus diesen Kämpfen und der spannenden Story, die das Spiel sehr aufwändig erzählt. Dass man dabei nicht jedes notwendige Detail verrät, ist allerdings ein wenig bedauerlich. So mancher Zusammenhang bleibt dabei auf der Strecke. Fans und Kenner des Vorbilds sind davon natürlich nicht betroffen.
Vorherbestimmt
Dass man sich eher der Kombination aus Story und Gameplay widmet, statt mit reiner Spielmechanik zu überzeugen, zeigt sich auch beim Schwierigkeitsgrad – der ist nämlich ziemlich milde ausgefallen. Man ist das ja von japanischen Spielen anders gewöhnt: Gerne soll man nahezu unmenschliche Aufgaben in einer viel zu kurzen Zeit erledigen, und das am besten noch mit verbundenen Augen. Im Fall von „Attack on Titan: Wings of Freedom“ sieht es da aber ganz anders aus: Auch als unbedarfter Spieler ohne jegliche Übung kommt man völlig problemlos durch das Spiel. Das ist irgendwie schon ärgerlich, da der Anspruch fehlt und somit auch das Erfolgserlebnis, dass man etwas Signifikantes geschafft hat.
Halbherzig
„Attack on Titan: Wings of Freedom“ ist in Japan bereits im Februar erschienen, man hat sich also Zeit für die Anpassung für den westlichen Markt genommen – könnte man meinen. Tatsächlich hat man aber lediglich Menü-Texte und Untertitel ins Deutsche übersetzt. Die Sprachausgabe, die ohnehin nicht durchgehend vorhanden ist, liegt nach wie vor in japanischer Sprache vor. Das ist natürlich in vielerlei Hinsicht ärgerlich: Einerseits wartet man ein halbes Jahr, bis so ein Spiel im Westen veröffentlicht wird, und dann wurde daran fast nichts gemacht. Außerdem gibt es zumindest eine englische Synchronfassung der Anime-Serie, insofern wäre da schon eine westliche Basis, auf die man hätte aufbauen können oder gar müssen.
Special Interest? Ja gut, das trifft auf Spiele wie „Attack on Titan: Wings of Freedom“ sicherlich zu. Man kann wohl kaum mit einer ähnlich großen Fangemeinde wie bei „Dragon Ball Z“ rechnen. Insofern mag die Bereitschaft auch geringer sein, viel Geld in eine neue Synchrofassung zu stecken – aber zumindest eine englische Variante für den Westen wäre unserer Meinung nach Pflicht gewesen. Mitten im Spielverlauf möchte man sich nicht damit beschäftigen, Untertitel zu lesen.
Eintagsfliege?
Die Spielmechanik von „Attack on Titan: Wings of Freedom“ ist überraschend spannedn und treibt den Spieler auch länger dazu an, gegen die Riesenzombies zu kämpfen. Allerdings mangelt es dann doch stark an Abwechslung, Und das ist auch darauf zurückzuführen, dass es keinen steigenden Herausforderungsgrad gibt: Die Titanen sind schlicht und ergreifend alle vergleichbar anspruchsvoll zu besiegen. Da freut man sich dann sehr, wenn man selbst in die Haut eines Titanen schlüpfen darf.
Über den Spielumfang kann man sich nicht beklagen, denn neben dem Angriffsmodus, der sozusagen die Kampagne darstellt, gibt es auch noch einen äußerst umfangreichen Scout-Modus, der uns in bekannte Situationen aus der ersten Staffel der Anime-Reihe steckt. Es gibt wirklich genügend zu tun, dazu sei aber auch zu sagen, dass es sich bisweilen wie eine arg ergebnislose Grinderei anfühlt, die lediglich von der Story getrieben wird. Wohl dem, der die Serie kennt und liebt und sich dementsprechend auf seine Lieblingsstellen freuen kann.
Vorwissen hilft weiter
Generell würden wir „Attack on Titan: Wings of Freedom“ nicht vorbehaltlos für jeden Spieler gleichermaßen empfehlen – zu viel hängt davon ab, ob man die Anime-Reihe kennt und liebt. Das Gameplay selbst überzeugt für sich alleine betrachtet nicht dauerhaft, da das Balancing viel zu klar zugunsten des Spielers ausfällt. Wer sich mit der Serie beschäftigt hat (aktuell nur in englisch verfügbar, die deutsche Variante soll ab Oktober 2016 erscheinen) oder zumindest den Manga kennt, wird mit dem Spiel deutlich mehr anzufangen wissen.
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