Während die Codemasters in ihren frühen Tagen Spiele fast jeden Genres veröffentlicht haben, hat man sich in den letzten Jahren auf Racing-Games spezialisiert. Neben der F1-Reihe hat man noch eine andere Traditionsserie im Angebot: DiRT. Mit „DiRT Rally“ erreicht uns jetzt die Konsolenumsetzung des durchaus populären PC-Racers – hat sich die Wartezeit gelohnt oder sind die Codemasters noch immer nicht auf den aktuellen Konsolen angekommen? Lest unseren Test und findet es heraus.
Kurswechsel
Die „DiRT“-Reihe hat eine durchaus bewegte Vergangenheit: Als „Colin McRae: DiRT“ gestartet, musste man irgendwann den Namen des verunglückten Rally-Stars unter den Teppich kehren, gleichzeitig wandelte sich die Spielereihe in Richtung Arcade-Racer – unterhaltsam, aber eben fernab von trockenem Realismus. Mit „DiRT Rally“ erfindet sich die Serie neu und kehrt zu den Rally-Wurzeln zurück – aber auch zum Realismus. Wer sich nämlich vorstellt, dass „DiRT Rally“ so eine Art Nachfolger von „DiRT 3“ oder „DiRT Showdown“ ist, muss sich warm anziehen.
Zumindest auf dem PC ist „DiRT Rally“ eines dieser Spiele, das erwachsene Männer dazu bringt, völlig verrückte Summen in Rechner, Lenkräder, Pedale und Schalensitze zu investieren. Und das ist insofern verständlich, dass man das Spiel nicht nach wenigen Stunden zurück ins Regal stellt, um sich den nächsten Titel zur Brust zu nehmen: Möchte man „DiRT Rally“ meistern, darf man sich auf endlose Stunden Training gefasst machen. Das zeigt schon das erste Rennen ganz deutlich – mit Kenntnissen aus „Forza Horizon“ oder „Need for Speed“ kommt man hie wirklich nicht weit.
Stock und Stein
Dabei ist die Fahrphysik von „DiRT Rally“ sehr überzeugend – zumindest bilden wir uns das ein. Zugegebenermaßen ist das schwer zu beurteilen, wenn man seine Freizeit nicht auf der Rennstrecke verbringt. Es fühlt sich einfach richtig an, ein besseres Urteil dürfen wir uns wohl nicht erlauben. Dabei darf man sich natürlich der verschiedensten Fahrhilfen bedienen, und das ist gerade am Anfang auch zwingend notwendig. Ohne diese Hilfsmittel ist „DiRT Rally“ knochenhart zu spielen, wer das auf die Kette bekommt, ist aber auch zweifellos in der Rubrik „Könner“ einzuordnen.
Aber auch mit allen aktivierten Fahrhilfen handelt es sich bei „DiRT Rally“ nicht um ein Gegenstück zu den „Forza“-Games oder gar Arcade-Racern. Behilflich beim Meistern der verschiedenen Rally-Aspekte ist eine Reihe von Tutorial-Videos – zumindest in der Theorie. Praktisch muss man natürlich trotzdem ein Gespür für die Fahrphysik, die verschiedenen Untergründe und dergleichen mehr entwickeln.
Nackte Tatsachen
Dass „DiRT Rally“ kein hippes und actiongeladenes Arcade-Game ist, zeigt sich auch in Hinsicht auf die Spielmodi. Hier gibt es praktisch nichts, über das man großartig berichten müsste: Karriere-Modus, Ligen und eine Art Freies Rennen – das war es dann praktisch auch schon. Das Ganze ist überdies auch eher trocken in der Präsentation, es gibt keinen Wohnwagentrailer wie in den F1-Games, von dem aus man die Geschicke des eigenen Fahrers lenkt. Aber streng genommen ist alles da, was man wirklich braucht, nur die Spielereien fehlen.
Verschiedene Championships rund um Rally, Rallycross und Hill Climb warten auf die Spieler – und darum geht es ja eigentlich auch. Spannend ist dabei auch die Vielfalt an Umgebungen, in denen man fahren darf: Neben grünen Strecken in Westeuropa warten nordeuropäische Schnee- und südeuropäische Karglandschaften bieten eine Vielzahl an Straßenbelägen und Witterungsverhältnissen, die das ohnehin schon komplexe Gameplay noch anspruchsvoller gestalten.
Augen auf beim Autokauf
Wo „DiRT Rally“ ganz unabhängig von Anspruch und Komplexität voll punkten kann, ist bei der Spielgrafik. Die sieht nämlich einfach nur fantastisch aus. Klar, das Niveau der PC-Fassung kann man nicht erreichen, trotzdem muss man nur an wenigen Ecken und Enden Kompromisse hinnehmen. Beispielsweise bei den Schatten und Spiegelungen, die auf ein vereinfachtes Level geschrumpft wurden, dafür stimmen aber Auflösung und die Framerate von 60 FPS – auch auf der Xbox One. Gleichzeitig muss aber noch einmal darauf hingewiesen werden, dass es in den Menüs und allen Stellen außerhalb der Rennen selbst nur wenig Chichi und Glamour gibt. In Sachen Soundkulisse können vor allem die Motorgeräusche überzeugen – die Ansagen des Kopiloten gehen einem hingegen schnell auf den Zeiger, das ist aber nicht die Schuld von „DiRT Rally“.
Blech und Sand
Für viele Fans von Racing-Spielen ist der Fuhrpark eines solchen Titels immens wichtig. Im Falle von „DiRT Rally“ muss man sich aber darauf gefasst machen, dass es nicht ganz so mondän zugeht wie etwa bei den Forza-Games. Das gilt sowohl für den Umfang (weniger als 50 Rally-Fahrzeuge sind enthalten) als auch für den Luxus-Faktor: Statt Lamborghini heißt es
Citroën, statt Ferrari heißt es Lancia. Das ändert allerdings nichts daran, dass alle Ikonen des Rally-Sports mit dabei sind: Von den 60ern bis heute sind alle wichtigen Fahrzeuge enthalten.
Ähnlich sieht es auch bei den Strecken aus. Die Entwickler haben zwar insgesamt 70 verschiedene Etappen eingebaut, allerdings sind nur drei der Rennstrecken echten Vorbildern nachempfunden. Dafür sind die Strecken aber abwechslungsreich und – wie überraschend – auch fordernd bis anstrengend zu bewältigen. Man führt uns nach Deutschland, Schweden, Finnland, England und dergleichen mehr. Für so manchen Spieler dürfte aber der „Hill Climb“-Eventr auf Pikes Peak in den USA ein ganz besonderer Leckerbissen sein.
Perfektion – aber nicht für alle!
Rally-Fans haben in diesen Tagen keine große Auswahl – neben „DiRT Rally“ gäbe es auf den aktuellen Konsolen allenfalls noch „WRC 5“. Die beiden Titel spielen aber nicht einmal in der selben Liga, denn „DiRT Rally“ ist eine ganz andere Hausnummer. Wenn man wirklich über etwas meckern möchte, dann darüber, dass man sich Realismus, Komplexität und Anspruch damit erkauft, dass sich der Titel längst nicht für jeden Spieler eignet. Es ist durchaus vorstellbar, dass es Käufer gibt, die den Titel ohne große Recherche erwerben und erst einmal völlig frustriert sind.
Dabei ist es gerade der Wunsch, möglichst alles und ohne Fahrhilfen zu meistern, der eigentliche Motivationsfaktor bei „DiRT Rally“. Das ist sicherlich etwas schwierig, heutzutage werden ja die meisten Spiele so designed, dass selbst eine alte Oma Erfolgserlebnisse erzielen kann. Umso schöner ist aber das Gefühl, wenn man tatsächlich langsam klar kommt – oder vielleicht sogar den Rekord eines Freundes gebrochen hat. Wer keine Angst vor Einarbeitung hat und im Idealfall als besserer Zocker aus dem Spiel herausgeht, ist mit „DiRT Rally“ sicherlich sehr gut beraten.
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