Die „Far Cry“-Reihe hat spätestens seit dem zweiten Teil in der Regel brisante Themen angesprochen – etwa afrikanische Warlords, man hat aber auch auf Krisenherde wie Tibet angespielt. Mit dem neuen „Far Cry 5“ kommt nun das nächste heiße Eisen, denn dieses Mal geht es um christliche Kultisten. Ob der jüngste Ubisoft-Titel Spaß macht und ob sich das Sekten-Thema als Videospiel-Setting eignet, erfahrt Ihr in unserem Test.
Der Ruf der Weltherrschaft
„Far Cry 5“ erzählt uns die Geschichte eines religiösen Kultes, der im amerikanischen Montana beheimatet ist. Wie es sich für die dortigen Verhältnisse gehört, ist ungefähr jeder, der dieser Sekte angehört, bis an die Zähne bewaffnet – man verteidigt die Religionsfreiheit eben mit dem Recht, Waffen zu tragen. Das Spiel beginnt mit der Verhaftung des Sektenführers Joseph Seed, an der wir als Deputy teilnehmen. Ihr könnt es Euch sicherlich denken: Die Sektenmitglieder haben keinerlei Interesse daran, dass der Kerl im Knast landet – und das bekommen wir auch zu spüren.
Ohne jetzt zu viel von der Handlung zu verraten: Unser Protagonist, den wir uns in einem Charakter-Editor zurechtschustern dürfen, hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Kultisten das Handwerk zu legen und den Drahtziehern Joseph Seed und seinen drei Geschwistern den Garaus zu machen. Dafür ist jedes Mittel recht, wie es sich eben für einen Vertreter der „Far Cry“-Reihe gehört.
Arttypisch
Man kann es nicht anders sagen: „Far Cry 5“ fühlt sich spätestens nach dem Prolog an, als würde man in liebgewonnene und gut eingelaufene Hausschuhe steigen. Die meisten Elemente kennt man längst von den Vorgängern: Siedlungen befreien, Konvois kapern, Sektenbesitz zerstören, Stunt-Rennen, Infiltrationsmissionen und dergleichen mehr. Immerhin: Von den nahezu obligatorischen Türmen, die man erklimmen soll, um die Karte aufzudecken, hat man sich verabschiedet. Und das wird auch auf humoristische Weise am Anfang der Story thematisiert.
Jetzt könnte man natürlich auf die Idee kommen, dass da gar nicht so viel Neues drinsteckt – und gewissermaßen ist das auch richtig. Es geht bei „Far Cry 5“ aber um deutlich mehr als einfach nur um das reine Gameplay, denn die Atmosphäre ist einfach großartig. Man fühlt sich unmittelbar in das Geschehen hineingezogen und spürt förmlich die Gefahr, die durch die religiösen Extremisten ausgeht. Da schreckt Ubisoft auch vor keinem Tabu zurück, um dieses Erlebnis zu intensivieren. Die Realität ist nicht immer schön, wieso soll das dann für die Handlung von Videospielen gelten?
Einen klaren Unterschied zu den Vorgängern gibt es aber in der Möglichkeit, Helfer zu rekrutieren – auch tierische. Das verleiht dem Titel eine ganz neue strategische Dimension: Ein Scharfschütze etwa kann auf einer Anhöhe hinter den Gegnern geparkt werden und zieht auf Zuruf die Aufmerksamkeit auf sich. Wir können dann aus relativer Sicherheit von hinten aufräumen. Andere Helfer sind ganz toll darin, Gegner unentdeckt und leise aus dem Dickicht auszuschalten.
Versuch‘s mal mit Gemütlichkeit
Man kann natürlich mit einem Affenzahn durch die Story rennen und „Far Cry 5“ nach 20 oder 25 Stunden wieder zurück ins Regal stellen – das Spiel ist aber so viel mehr als einfach nur eine Aneinanderreihung irgendwelcher Storymissionen. Wie es sich für ein ordentliches Open-World-Game gehört, gibt es auch jede Menge Nebenaktivitäten, die man unternehmen kann und idealerweise auch sollte.
Waffen, Fahrzeuge und Verbrauchsmaterialien können beziehungsweise müssen käuflich erworben werden, denn auch in Zeiten größter Not wird der Kapitalismus nicht außer Kraft gesetzt. Die unzähligen Waffen verschiedener Gattungen (Handfeuerwaffen, MPs, Sturm- und Scharfschützengewehre, Bögen) können mit verschiedenen Extras (Visiere, große Magazine, Schalldämpfer) ausgerüstet werden. Und die Schießeisen sind natürlich nicht nur gut, um die Kultisten in Schach zu halten: Montana besitzt eine riesige Tierwelt, die bejagt werden kann. So ein Bärenfell bringt wertvolle Dollars ein – ähnlich sieht es mit geangelten Fischen aus.
Wer sich um die Finanzen keine Sorgen mehr machen muss, kann sich Prestige-Waffen kaufen. Dabei handelt es sich um eigentlich ganz normale Waffen, die aber in einem besonderen Design daherkommen. Man kann auch nicht einfach ein paar Stunden jagen und angeln und sich dann gleich die dicksten Wummen kaufen – die sind nämlich noch hinter anderen Anforderungen (etwa eine bestimmte Bekanntheit bei den Feinden) verschlossen. Die Prestige-Waffen, die regelmäßig wechseln, machen da eine Ausnahme, sie sind aber locker dreimal so teuer wie die normalen.
Wo ist denn der Heli hin?
„Far Cry 5“ funktioniert noch vor dem offiziellen Launchtermin so gut, dass uns keine „Game Breaking Bugs“ aufgefallen sind – eine Reihe von Fehlern, die recht schnell ins Auge fallen, gibt es allerdings dennoch. Da ist zum Einen, dass die Übersetzung diverser Bildschirmtexte alles andere als perfekt ist. Wenn bei einem Auto „X: Eintreten“ steht, dann kann man darüber wohl noch hinwegsehen, spätestens bei einem Quad klingt das aber reichlich seltsam. Die Untertitel (analog zur Sprachausgabe) lassen aber keinen Grund zur Beschwerde aufkommen.
Anders sieht es hingegen mit dem Spawnverhalten von Gegnern und Fahrzeugen aus: Nicht nur einmal kam es vor, dass wir auf einen „geparkten“ Helikopter zugelaufen sind, aber durch ein paar Gegner abgelenkt waren. Kaum haben wir diese aus dem Weg geräumt und dem Helikopter zwischendurch den Rücken zugedreht, ist er weg. Dafür steht dann aber ein Traktor mit Mähdresch-Aufsatz in der Nähe – okay, der ist natürlich auch nicht unpraktisch. Letztendlich ist dieses Spawnverhalten, das auch bei Gegnern ähnlich zu beobachten ist, unser größter Kritikpunkt. Wir hoffen, dass das nachträglich per Patch behoben wird.
Immer her mit dem Baukasten
In „Far Cry 2“ gab es bereits einen Leveleditor, mit dem man sich eigene Multiplayer-Maps erstellen konnte – doch dieses Mal hat sich Ubisoft ernsthaft selbst übertroffen: Unter dem Deckmantel der „Arcade“ hat man „Far Cry 5“ einen Editor verpasst, der eigentlich eher eine richtige 3D-Shooter-Engine darstellt. Damit kann man quasi eigenständige Spiele mit verschiedenen Zielen erstellen, etwa „Reise“, bei dem man einen bestimmten Punkt auf der Map erreichen muss, aber auch reguläre Angriffs-Szenarien – inklusive Terraforming und allerhand Extras.
Und wo es einen Editor gibt, gibt es in der Regel auch die Möglichkeit, die eigenen Ergüsse mit anderen zu teilen. Hier enttäuscht „Far Cry 5“ ebenfalls nicht, und schon vor dem Launch hatten wir die Möglichkeit, einige von Ubisoft eingestellte Level zu spielen. Da gibt es für uns keinen Zweifel, dass es wieder einige sehr talentierte Bastler gibt, die spannende Kreationen verteilen werden, die sich qualitativ auf beinahe kommerziellem Niveau bewegen werden.
So muss das sein
Vielleicht ist es wirklich so, dass manche Spieler sich mehr Frische von „Far Cry 5“ gewünscht haben – uns hat aber gerade so gut gefallen, dass der Titel in die gleiche Kerbe schlägt wie die Vorgänger, aber mit einem tollen Szenario überzeugen kann. Auch die Technik der von uns getesteten Xbox-Version gab keinen Grund für Beschwerden, es kam nicht zu Framedrops oder zu spät aufpoppenden Texturen und Modellen. Die Xbox One X bringt das Spiel optisch gefälliger und hochauflösender auf den Bildschirm – da kann man nicht mehr verlangen.
Es gibt also durchaus noch Raum für ein paar Verbesserungen per Patch und Update, aber im Allgemeinen hat uns „Far Cry 5“ dann doch ziemlich begeistert. Das mag nicht jeder so sehen, dennoch sind wir der festen Überzeugung, dass sich Ubisoft hier definitiv nicht blamiert hat. Fans der Reihe kommen hier absolut auf ihre Kosten, und das ist doch das, was zählt.
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