Mit „Gravity Rush“ und „Gravity Rush Remastered“ veröffentlichte Sony den Einstieg in ein neues Franchise voller spannender Ideen. So gut das Ganze spielerisch und von der Mechanik her war, so sehr häuften sich auch die Beschwerden über die Story, die doch einige Lücken aufwies. Jetzt dürfen wir uns über „Gravity Rush 2“ freuen, das alles besser machen soll. Ob das gelingt, erfahrt Ihr in unserem Test.
Herrscherin der Lüfte
„Gravity Rush 2“ macht in Hinsicht auf die Story da weiter, wo der Vorgänger aufgehört hat. Die damalige Heldin Kat hat ihren Superheldenstrampelanzug zur Seite gelegt und verdingt sich fortan als ganz normale Arbeiterin. Das liegt nicht nur daran, dass sie keine Lust auf den Stress und die Aufregung einer solchen Tätigkeit als Superheldin hat, ihr sind auch die Superkräfte abhanden gekommen. Und die könnten wir zu Beginn von „Gravity Rush 2“ nun wirklich gebrauchen, schließlich finden wir uns in einer echten Notlage wieder. Wie es dazu kam, wird uns später nach und nach erzählt, überhaupt haben die Entwickler alles daran gesetzt, bisherige „blinde Flecken“ bei der Story zu beleuchten.
In nahezu unzähligen Missionen (die Entwickler sprechen von der dreifachen Anzahl derer des Vorgängers) versuchen wir nun, die Ursache für einen Gravitationssturm von epischen Proportionen herauszufinden. Dabei hält man sich spielerisch an bewährte Muster – wer mit dem Vorgänger gut zurecht kam, wird auch hier keine Probleme haben. Hier und da gibt es ein paar Anpassungen und Verbesserungen, letztendlich hat man aber keine unnötigen Experimente gewagt – und das war auch zweifellos die richtige Entscheidung.
Hoch hinaus
Falls „Gravity Rush“ an Euch vorbeigegangen sein sollte: Die Besonderheit am Franchise sind besagte Kräfte, die Protagonistin Kat nach und nach anhäuft. Sie gehört zu den sogenannten „Gravity Shifters“, die die Fähigkeit haben, die Erdanziehungskraft zu modifizieren. Für Kat gilt nämlich nicht das physikalische Gesetz, dass die Gravitation vom Erdplaneten ausgehen muss. Sie kann beispielsweise auch von Wänden oder Decken angezogen werden – und dann eben dementsprechend dort entlang laufen.
Die Macher haben diese Idee zu Ende gedacht und liefern über den Spielverlauf hinweg Fähigkeiten, die darauf aufbauen – etwa spezielle Angriffe, die sich diese Besonderheit zunutze machen. Die Idee hinter den „Gravity Rush“-Spielen ist die, dass man mit fortschreitenden Fähigkeiten mehr Freiheiten beim Erkunden der Spielwelt erhält. Was zuvor noch unerreichbar erschien, kann jetzt schon beinahe spielend leicht geschafft werden.
Erdkunde-Unterricht
Nicht nur der reine Spielumfang ist deutlich gewachsen – auch die Spielwelt war auf deutlichem Expansionskurs. Das verleiht „Gravity Rush 2“ einen angenehmen „Open World“-Charakter, es ist unheimlich spannend, unterhaltsam und befriedigend, einfach nur die Umgebung zu erkunden und aus der Vogelperspektive zu bewundern. Tatsächlich ist das Spiel optisch sehr gefällig, die Bauten weisen viele Details auf und sind schön anzusehen. Entsprechend abwechslungsreich ist das Ganze noch dazu, so dass man sich eigentlich kaum eine angenehmere Spielwelt wünschen könnte.
Und das Erkunden der Spielwelt hat durchaus auch einen positiven Nebeneffekt: In „Gravity Rush 2“ sind überall Schatzkisten versteckt, die nach dem Auffinden tatsächlich nützliche Belohnungen wie Statistik-Upgrades bieten. Kurios, aber witzig: Es gibt so eine Art Social-Feature, das es Spielern ermöglicht, Fotos zu schießen, die den anderen Teilnehmern Hinweise auf den Standort einzelner Schatzkisten geben.
Japanische Wurzeln
Das klingt ja alles ziemlich interessant – soweit werdet Ihr uns beipflichten. Allerdings müsst Ihr Euch auf eine Sache gefasst machen: Bei „Gravity Rush 2“ handelt es sich um ein japanisches Spiel, und dort ticken die Uhren in Sachen Präsentation eben etwas anders. Nicht, dass der Titel irgendwie schlecht aussehen würde: Man hat sich für eine Darstellung im Cel-Shading-Look entschieden, was natürlich auch wieder so einen gewissen Manga-Touch transportiert. Letztendlich ist das aber selbst für westliche Geschmäcker keineswegs unüblich.
Allerdings gibt es kein besonders großes Repertoire an animierten Cutscenes. Tatsächlich wird die Geschichten in Comic-artigen Panels erzählt, und zwar überwiegend ohne Sprachausgabe. Mehr als Seufzen und ähnliche Gemütsregungen gibt es nur selten zu hören, die Geschichte wird in Textform erzählt. Das ist eben ein typisches japanisches Stilmittel und liegt nicht etwa an einem zu geringem Budget für die Entwicklung. Man muss das aber mögen oder zumindest akzeptieren können, wenn man Interesse an der Story von „Gravity Rush 2“ hat.
Ohne Makel ist allerdings der Soundtrack des Spiels. Dieser stammt wieder aus der Feder (respektive dem Sequencer) von Kohei Tanaka, der auch schon die Musikstücke des Vorgängers beisteuerte. Schönes Extra: Ein „Best Of“ des Soundtracks wird als Vorbestellerbonus ausgeliefert – wohl dem, der frühzeitig von der Güte des Spiels überzeugt war.
Eine alte Macke
Neben der für hiesige Geschmäcker etwas unübliche Art und Weise, die Geschichte von „Gravity Rush 2“ zu erzählen, gibt es eigentlich nur einen echten Makel, den wir erörtern müssen: Die Kamera. Während die Steuerung dieser die meiste Zeit über gut funktioniert, gibt es immer wieder kleinere Aussetzer, in denen man den Überblick verliert – dann aber so richtig. Solche Späße sind aber bestimmt keine Spezialität von „Gravity Rush“, das kennt man ja auch von anderen Spielen. Sonst gibt es technisch nicht viel zu klagen, auf der PS4 Pro gibt es sogar eine etwas schärfere, detailliertere Grafik. Richtiges 4K erreicht man aber dennoch nicht.
Es gibt viel zu tun… Packen wir‘s an!
„Gravity Rush 2“ bietet eine unheimliche Menge Content für den Kaufpreis. Wie bei vielen anderen Open-World-Spielen bezieht man sehr viel Motivation durch die Weitläufigkeit der Spielwelt, durch die unzähligen Dinge, die es zu entdecken gilt. Aber auch die Haupt- und Nebenmissionen sind in so großer Zahl vorhanden, dass man selbst beim Kauf zum vollen Preis kaum mehr als 1,50 Euro pro Spielstunde investieren muss. Man kann also wahrlich nicht behaupten, „Gravity Rush 2“ wäre nur etwas für einen Nachmittag.
Letztendlich haben es die Entwickler geschafft, Story-Lücken wie die des Vorgängers nicht nur zu umschiffen, man klärt sogar eine Menge „übrig gebliebener“ Fragen auf. Somit wird „Gravity Rush 2“ zu einer Art Komplementär-Produkt, das den Vorgänger ideal ergänzt und neue Einblicke in die Hintergründe von Protagonistin und Geschichte gibt.
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