Die „Persona“-Reihe ist eine, wie sie wirklich nur Japan hervorbringen kann – so eine Art Teenager-Simulator mitsamt bekannten Motiven wie Salingers „Teenage Angst“, übernatürlichen Widersachern, Tiefenpsychologie und dergleichen mehr. Mittlerweile ist „Persona 5“ auch im Westen erhältlich und konnte schon vor dem Launch fürr einige Aufmerksamkeit in der Fangemeinde sorgen. Ob das einfach nur ungerechtfertigte Vorschusslorbeeren waren oder ob wir hier einen spannenden JRPG-Knaller vor uns haben, erfahrt Ihr in unserem Test.
Ein Fall für die X-Akten
„Persona 5“ erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der aufgrund einer angeblichen Verfehlung Wohnort und Schule für ein Jahr wechseln muss. Das bringt aber eine ganze Reihe von neuen Problemen mit sich – nicht zuletzt dadurch, dass der Lehrkörper an der neuen Highschool seine Rolle etwas missversteht. Dass wir hier ziemlich vage sind, hat nicht nur den Grund, dass wir Euch nicht spoilern wollen (was eigentlich angesichts der mehr als komplexen Geschichte gar nicht so einfach sein dürfte), wir dürfen es auch nicht: Atlus ist sehr empfindlich, was mögliche Spoiler angeht – obwohl der Titel schon seit 2016 in Japan erhältlich ist und alle Geheimnisse schon potentiell „out there“ sind.
Als Rollenspiel verfolgt „Persona 5“ einen interessanten Ansatz – und zwar müssen wir uns zwischen den verschiedensten Aufgaben vom schulischen Alltag über die dortigen Konflikte bis hin zum Aufdecken der übernatürlichen Hintergründe aufteilen. Man kämpft also sozusagen an mehreren Fronten gleichzeitig, und das ist auch der Auslöser dafür, dass die Story so vielschichtig und komplex geworden ist. Das ist definitiv eine der Stärken von „Persona 5“ – aber derer gibt es noch mehr.
Packen wir‘s an!
Vielleicht ist der Vergleich mit „Shenmue“ nicht ganz fair, allerdings erinnert uns das Angebot an Aktivitäten in „Persona 5“ doch ganz klar an diesen Klassiker. Es ist unfassbar, was die Entwickler uns für Möglichkeiten an die Hand geben, die Zeit zu verbummeln. Das mag zwar nicht unmittelbar zielführend für unsere Aufgaben sein, verleiht dem Spiel aber ordentlich Atmosphäre und unserem Charakter möglicherweise entsprechende Boni. Dass man bei diesen Aktivitäten unweigerlich japanische Luft atmet, dürfte sich dabei wohl von selbst verstehen.
Doch Vorsicht! Man hat tatsächlich nur das eine Jahr, um seine Ziele zu erreichen, und jede Aktivität, ganz gleich wie sehr oder wie wenig sie Früchte trägt, knapst uns ein wenig von unserer Zeit ab. Schnell ist man versucht, alles mögliche auszuprobieren – potentiell verliert man dabei aber die Zeit aus den Augen. Immerhin haben die Entwickler dem Titel so eine Art strengen Fahrplan mit fixen Terminen auf den Weg gegeben, so dass man wirklich maßgebliche Momente kaum verpasst. Zeitdruck ist aber dennoch allgegenwärtig.
Break on through to the other Side
Wir haben es eingangs ja bereits durchblicken lassen: „Persona 5“ bietet nicht einfach nur irgendwelche Highschool-Erlebnisse, das sogenannte „Metaverse“, eine Art finstere Parallelwelt, lässt uns als krassen Gegenpol spannende Kämpfe und Abenteuer der übersinnlichen Art erleben. Klingt, als ob das nicht so recht zusammenpassen würde? Nun, so mancher Japanmuffel mag das wohl so sehen, aber dort ticken die Uhren bekanntlich ein wenig anders – je abgefahrener, desto besser.
Eine Erwähnung wert sind dabei natürlich die Kämpfe. Diese finden nicht in Echtzeit statt und haben dadurch eine zusätzliche und recht ausgeprägte strategische Komponente. Die ganze Meta-Welt hat eine tiefere Bedeutung und spielt auf Bedürfnisse, Verlangen und finstere Seiten der menschlichen Seele und Psyche an. Diese Meta-Ebene (daher wohl auch „Metaverse“) ist schon etwas, das man in Videospielen nicht alltäglich zu Gesicht bekommt – Arthouse eben.
Abgefahren!
Und diese Einschätzung führen wir auch bei der Präsentation fort. Der Stil von „Persona 5“ ist so individuell und ungewöhnlich wie die ganze Geschichte des Spiels. Ein wenig Celshading, ein bisschen Anime-Optik, klare und nicht minder coole Designs, aber auch mal extrem flache 3D-Modelle und hässliche, niedrig aufgelöste Texturen. Diese „Schwächen“ sind dabei teilweise derart prominent plaziert, dass man es beinahe für Absicht halten könnte – zumindest fallen diese somit nicht allzu sehr ins Gewicht.
Absolut lobenswert und ohne Mängel ist dabei der Soundtrack, der vor Funk nur noch so sprüht. Dieser unterstreicht den ungewöhnlichen Charakter des Spiels ganz hervorragend, mehr kann man sich dahingehend wohl kaum wünschen. Anders sieht es in Sachen Lokalisierung aus: Hier sind wir auf englische Sprachausgabe und ebenso englische Untertitel beschränkt. Dass man ein „Nischenprodukt“ (wobei die Serie spätestens mit diesem Ableger das Korsett durchaus sprengen dürfte) nicht mit deutscher Sprachausgabe ausstatten kann, sehen wir ein. Aber wenigstens deutsche Untertitel hätten es dann doch gerne sein dürfen, zumal man mit mittelmäßigen englischen Sprachkenntnissen viel von Geschichte und Hintergründen verpassen wird.
Volles Pfund
„Persona 5“ gibt sich auch beim Umfang japanisch: 100 Stunden für einen kompletten Durchlauf sind durchaus drin, trotz der linearen Story ist ein zweiter Durchgang keineswegs sinnlos. Und was viele Neulinge jetzt sicherlich brennend interessieren dürfte: Nein, Ihr müsst keinen der Vorgänger gespielt haben, die Handlung von „Persona 5“ steht für sich ganz alleine. Man benötigt also keinerlei Vorwissen, um sich zurechtzufinden – lediglich ein gewisses Faible für die japanische Kultur wäre dabei hilfreich.
Atlus hat mit „Persona 5″ zweifellos ein außergewöhnliches Werk erschaffen – auch wenn man sich damit gar nicht an eine wirklich breite Spielerschaft außerhalb von Japan wenden wollte. Das Gameplay ist jedenfalls interessant und solide genug, um diese japanische Quirligkeit mehr Spielern auch in unseren Breitengraden näherbringen zu können. Wenn Euch die japanische Kultur nicht völlig am Allerwertesten vorbeigeht und Ihr auch keine Berührungsängste in Bezug auf übernatürliche und teilweise sogar tiefenpsychologische Inhalte habt, lohnt sich ein Blick auf „Persona 5“ zweifellos.
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