Nathan Drake ist in die wohlverdiente Rente gegangen – das Ende der „Uncharted“-Reihe? Mitnichten! Naughty Dog möchte mit „Uncharted: The Lost Legacy“ beweisen, dass man auch die Geschichten anderer Charaktere erzählen kann, ohne die Qualitäten der Reihe in Frage zu stellen. Funktioniert das? Unser Test enthüllt, was „Uncharted: The Lost Legacy“ auf dem Kasten hat.
Frauenpower
Dieses Mal müssen wir also ohne Nathan Drake zur Tat schreiten. Zumindest unsere Protagonistin Chloe Frazer ist keine Unbekannte, schließlich tauchte sie in der „Uncharted“-Reihe bereits auf – wenn auch in eher passiver Rolle. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, einen Stoßzahn der Gottheit Ganesha an sich zu reißen. Das Problem daran? Das Teil gammelt in Indien vor sich hin, und dort herrscht gerade ein Bürgerkrieg – nicht gerade die besten Aussichten für ein ohnehin schon schweres Unterfangen.
Unterstützt wird sie bei ihrem Vorhaben von Nadine Ross – und die beiden könnten unterschiedlicher kaum sein. Chloe ist ein archäologisches Mastermind, Nadine eher ein schlagkräftiger Haudrauf – Hirn und Hand. Falls uns der Vergleich erlaubt ist: Zusammen ergeben die beiden Lara Croft. Diese Wechselwirkung und das persönliche Verhältnis, das nach und nach immer enger wird, hat durchaus seinen Reiz und sorgt dafür, dass die beiden zumindest im Ansatz ähnlich charismatisch daherkommen wie Nathan Drake. Ob sie auf das gleiche Niveau kommen – das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden.
Fluch und Segen
Sieht man davon ab, dass man in „Uncharted: The Lost Legacy“ eine Frau steuert, die von einer anderen begleitet wird (Nadine Ross kann man leider nicht selbst spielen, sie wird über die komplette Kampagne hinweg von der KI übernommen, arbeitet aber komplett eigenständig), kann man unheimlich viele Parallelen zu den übrigen Spielen der „Uncharted“-Reihe erkennen – beim Gameplay und der Action bleibt fast alles beim Alten, wenn man mal davon absieht, dass es eine leicht überarbeitete Kampfmechanik gibt und dass Chloe Frazer noch etwas weniger als Nathan Drake einstecken kann. Man schleicht, ballert, hangelt, klettert und rätselt sich durch das Spiel, wie es in der Reihe seit eh und je der Fall war.
Eine maßgebliche Neuerung gibt es dann aber doch: Vorbei die Zeiten der Schlauchlevel, in denen man von einer Ecke zur nächsten gelotst wurde. „Uncharted: The Lost Legacy“ bietet (in einem gewissen Rahmen natürlich) eine offene Spielwelt, die wir frei beschreiten können – ein Ausblick auf die Zukunft der Reihe? Auf jeden Fall funktioniert das erstaunlich gut, es ist nicht so, dass man bei der Atmosphäre irgendwelche Abstriche machen müsste.
Bewährtes
Bei vielen anderen Franchises wären wir ein wenig darüber enttäuscht, dass es vergleichsweise wenig Innovation gibt – bei „Uncharted“ geht das aber durchaus in Ordnung. Immerhin haben wir es hier mit einer der ganz großen Marken des Business zu tun, und die hat sich in den letzten zehn Jahren für die Spielerschaft sehr verdient gemacht. Falls Ihr aber – aus welchem Grund auch immer – hoffen solltet, dass der Protagonistenwechsel die Reihe eine komplett andere Richtung einschlagen lässt, dann könnt Ihr Euch auf eine Enttäuschung gefasst machen. Das obliegt wohl erst den Nachfolgern.
Man muss sich allerdings auch ganz klar vor Augen halten: „Uncharted: The Lost Legacy“ ist ein Add-On zu „Uncharted 4“. Das Ganze wird zwar als eigenständiges Werk verkauft, es dürfte aber dennoch keine allzu große Überraschung sein, dass man sich beim Gameplay doch ziemlich stark am Vorbild orientiert. Ein wirklicher Nachteil ist diese Nähe zu den anderen „Uncharted“-Ablegern daher für uns nicht.
Von höchste Güte
Und so können wir natürlich auch nur Positives zur Präsentation von „Uncharted: The Lost Legacy“ berichten. Die neue Spielwelt sieht dabei substantiell anders aus als das, was man von den „Uncharted“-Games bereits kennt – somit fällt der Vorwurf des „alten Kram aus dem Hauptspiel übernehmen“ auch direkt flach. Sowohl die Grafik als auch die Technik lassen wieder einmal kaum Raum für Beschwerden – wenn man mal von dem gelegentlichen Durch-die-Gegend-Teleportieren von Nadine absieht.
Und das gilt auch für Soundtrack und Sprachausgabe. Aber ganz ehrlich: Es war doch ohnehin klar, dass sich Naughty Dog nicht durch ein Standalone-Addon den Ruf der Marke kaputt machen lassen. Es gilt eben, dass Adel verpflichtet, und diese Maxime hat man auch hier voll und ganz beachtet.
Preis und Leistung
Ein schwierigeres Kapitel ist die Sache mit dem Preispunkt von „Uncharted: The Lost Legacy“. Zwar bietet der Titel mit rund 10 Stunden mehr Umfang als man gemeinhin für einen einfachen Story-DLC erwarten kann, dafür soll man aber auch über 40,- Euro für das Vergnügen hinblättern. Auch das übersteigt leider deutlich das, was man bei einem „Add-On“ als gängig ansehen würde.
Bekommt man anderswo mehr Spielstunden für das Geld? Zweifellos. Sowohl „Uncharted 4“ als auch „Uncharted: The Nathan Drake Collection“ sind bereits neu für weniger erhältlich, und da steckt natürlich erheblich mehr Spielumfang drin. Insofern kann man die Bepreisung von „Uncharted: The Lost Legacy“ durchaus kritisch sehen, und dementsprechend fällt unser Rat simpel aus: Als Einstieg in das Franchise gibt es definitiv bessere Optionen, als Fan sollte man sich „Uncharted: The Lost Legacy“ aber nicht entgehen lassen – auch wenn Nathan Drake fehlt.
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