Kaum wurden die ersten Entwickler-Kits der Oculus Rift ausgeliefert, schon waren Youtube und Co. voll von Videos, in denen Menschen Horrorgames zocken – und sich dabei natürlich zu Tode erschrecken. So mancher Jumpscare kann einen schon beim normalen Spielen auf einem Fernseher aus dem Sessel scheuchen, da wird das Erlebnis durch VR wohl noch heftiger. Ob das auch bei „Here They Lie“ der Fall ist, das man aktuell für rund 20,- Euro als Starttitel für Playstation VR erwerben kann, erfahrt Ihr in unserem Test.
Die Welt mal anders
„Here They Lie“ führt den Spieler in eine Welt, die nur in den ersten zwei, drei Minuten noch normal wirkt. Schnell wird klar: Wir sind in unserem schlimmsten Alptraum gefangen und können daraus nicht entfliehen. Dabei ist es gar nicht mal so offensichtlich, was unser Ziel ist: Eine mysteriöse Frau verfolgen oder vor einem irren Brandstifter flüchten? Auf jeden Fall wird es gruselig und surreal – also ideal, um in diese obskure Welt per Playstation VR einzutauchen.
Und tatsächlich: Das Ganze ist überwiegend in Grautönen gehalten und sieht auch schon auf dem Fernseher (man kann hier wie üblich die Zuschauerfunktion nutzen, um das Geschehen auch außerhalb der Brille zu verfolgen) ziemlich verwegen und düster aus. Wenn man aber erst einmal mitten in dieser Welt steckt, ist das umso verstörender. Tatsächlich fehlen uns da so ein bisschen die Worte – die Entwickler haben entweder eine unheimliche Menge kranker Fantasien oder sie werden von irgendwelchen Dämonen geplagt, die man lieber nicht kennen möchte. Auch ist es so, dass man nicht allzu offensichtlich auf Jumpscares hinarbeitet. Eigentlich erwartet man hinter jeder Ecke irgendein verrücktes Wesen, das einen ermeucheln möchte – aber es tut sich einfach nichts. Das ist Psycho-Horror auf eine ganz perfide Art und Weise, man wiegt uns in Sicherheit, bevor man es uns so richtig einschenkt.
Auf jeden Fall kann man es durchaus als Erlebnis bezeichnen, was es in „Here They Lie“ zu sehen bekommt. Teilweise verwirrt einen das Spiel mehr, als es den Teilnehmer tatsächlich aufklärt – aber auch das hat System und hilft dabei, das Gefühl, „in eine fremde Welt hinengeworfen“ zu werden, noch zu verstärken. Und darauf muss man sich auch verlassen, denn so richtig viel anspruchsvolles Gameplay bietet der Titel nicht.
Kampf der Krankheit
Wir befinden uns bekanntlich noch am Anfang der „VR-Revolution“ – so es denn eine werden sollte. Und aktuell muss einfach noch viel und in großem Maßstab experimentiert werden: Welche Techniken kann man nutzen, um „VR Sickness“ zu vermindern oder gar vermeiden? Was können die Spieler ertragen, was geht zu weit? „Here They Lie“ bietet hier einen interessanten Ansatz, und zwar mit einer auf Wunsch zuschaltbaren Funktion, die bei größeren Drehungen der Kamera (per Controller ausgelöst, das Headtracking erlaubt nur einen kleinen Spielraum) ein virtuelles Augenblinzeln auszulösen. Schnelle Kamerabewegungen bleiben dabei aus, was so manchen übelkeitsgeplagten Spielern sicherlich etwas Linderung verschaffen dürfte.
Mehr Sein als Schein?
Wie bei den meisten anderen VR-Titeln, die aktuell für die Playstation 4 erhältlich sind, gilt auch bei „Here They Lie“: Eine Optik auf allerhöchstem technischen Niveau könnt Ihr Euch von der Backe putzen. Im vorliegenden Fall ist das aber erstens nicht ganz so leicht ersichtlich (da sich ohnehin alles in Grautönen abspielt und gewollt gammlig-ranzig daherkommt) und zweitens dank der großartigen Atmosphäre, die einen praktisch stets im Unklaren lässt auch gar nicht weiter tragisch. Die Entwickler haben hier ganze Arbeit geleistet, um eine interessante Spielwelt zu erschaffen, wie sie eigentlich nur der Fantasie von Wahnsinnigen entspringen konnte.
Überschaubar
Kommen wir doch mal zu den weniger schönen Seiten von „Here They Lie“: Wirklich umfangreich ist das Spiel nicht. Je nachdem, wie lange mit sich Zeit nimmt, um die verrückt-kranke Welt zu erkunden und auf sich wirken zu lassen, ist man zwischen drei und fünf Stunden beschäftigt, bevor man den Titel „zu den Akten legen“ kann. Etwas mehr wäre da sehr schön gewesen, gerade weil das Gruselgeschehen insgesamt eher langsam an Fahrt gewinnt.
Da das Ganze aber für rund 20,- Euro erhältlich ist, kann man damit wohl leben – zumal man in den Anfangstagen von VR ohnehin gerne mal ein wenig kräfter zulangt. Das verrückte Spielerlebnis ist den Preis zweifellos wert, wenn man sich der Tatsache gewahr ist, dass es mehr um das Gesamterlebnis als um forderndes Gameplay geht. Uns hat „Here They Lie“ aber insgesamt ziemlich gut gefallen – ein weiteres gutes Beispiel, was man mit VR anstellen kann.
Das VR-Erlebnis
Jetzt noch ein paar Worte zu den Themen Immersion und körperliche Reaktionen darauf: Es ist tatsächlich ein echter Kulturschock, den man über so eine VR-Lösung wahrnimmt. Ob das Ganze nur eine vorübergehende Phase im Videospiel-Business ist – wie die Bewegungssteuerung, die mittlerweile auch kaum noch Fans hat – ist aktuell noch nicht abzusehen und hängt stark davon ab, was man uns an Spielmöglichkeiten bieten kann. Es ist aber insgesamt eine durchaus überzeugende Technologie, wenngleich qualitativ bestimmt noch Einiges herauszuholen ist.
Und dann ist da noch die Sache mit der Verträglichkeit: Man hat es ja schon im Vorfeld überall zu hören bekommen: Mit dem Erlebnis, das VR-Lösungen bieten, kommt längst nicht jeder Spieler zurecht. „Motion Sickness“ oder auf gut deutsch „Reisekrankheit“ kommt dann zustande, wenn das Gehirn überfordert ist, weil es optische Bewegungen wahrnimmt, der Körper aber keine solchen vornimmt. Das Ganze ist vergleichbar mit dem seltsamen Gefühl, das manche Menschen beim Treppensteigen auf einer stehenden Rolltreppe wahrnehmen. Das Gehirn erwartet Bewegung ohne körperliche Aktivität und ist verwirrt.
Die Reaktion auf diese Überforderung ist unterschiedlich: Manche Spieler kommen ohne größere Probleme damit klar, anderen haben nach dem Abnehmen des Headsets mit einem Schwindel zu kämpfen. Weniger schön ist es natürlich, wenn das zu Kopfschmerzen oder gar Übelkeit führt, aber auch das kann vorkommen. Dabei ist es ratsam, auf die Reaktion des Körpers zu achten und regelmäßige Pausen einzulegen. Und damit meinen wir nicht das übliche „Nach einer Stunde Spielen eine Pause einlegen“ wie es in den rechtlichen Hinweisen vieler Titel steht. Die Anzahl der Menschen, die problematisch auf VR reagieren, ist mit Sicherheit größer als bei regulären Videospielen, deshalb ist Vorsicht wirklich angeraten.
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