Viele Xbox-Fans haben wohl schon zum Start der Xbox One einen neuen Ableger der legendären „Gears of War“-Reihe erwartet – schließlich handelt es sich um eine DER Exklusivmarken schlechthin. Nach nahezu drei Jahren, unterbrochen nur durch die „Ultimate Edition“ des Erstlings, ist es jetzt endlich soweit: „Gears of War 4“ steht in den Startlöchern. Ob man zu alter Form aufgelaufen ist oder doch eher eine durchschnittliche Nummer à la „Judgement“ abgeliefert hat, erfahrt Ihr in unserem Test.
Es war einmal…
Wir erinnern uns: In „Gears of War 3“ haben Marcus Fenix und seine KOR-Gang es geschafft, jede Spur von Imulsion und Gekröse vom Planeten Sera zu fegen – und zwar mit einer ziemlich brachialen Detonation einer eigens dafür angefertigten Maschine. Oh, ist zu lange her? Kein Problem, die ganze Situation wird im Prolog „Gears of War 4“ noch einmal aus einem anderen Blickwinkel durchlebt. Nun brachte diese Detonation zwar Frieden nach Sera, allerdings standen nur wenige hunderttausend Menschen aus den Trümmern des beschwerlichen Krieges wieder auf. Und die sammeln sich jetzt in von hohen Wällen umgebenen Siedlungen, um dort vor Gefahren und Stürmen geschützt an einer Bevölkerungsexplosion zu arbeiten.
Ganz freiwillig hält man sich dort aber nicht auf – ein Verlassen dieser Siedlungen ist nicht zulässig, und überhaupt benimmt sich die Regierung nicht gerade freundlich den verbleibenden Menschen gegenüber. Bevormundung und fehlende Freiheiten sorgen dafür, dass sich die sogenannten „Nonkons“ dagegen auflehnen.. Die möchten zwar in Freiheit leben, brauchen dafür aber Energie – hier käme der Fabrikator einer KOR-Baustelle gerade recht. Den soll unser Protagonist JD Fenix (der Sohn der Legende Marcus Fenix) nun besorgen – eigentlich ein Kinderspiel, aber es tauchen dann doch Kampfroboter auf, die das Teil verteidigen – und ab hier führt uns das Spiel in ein spannendes Abenteuer.
Kopf runter!
Rein spielerisch orientiert sich „Gears of War 4“ an dem, was die Reihe groß und populär gemacht hat. Der Archetyp der Deckungsshooter verwirrt nicht mit irgendwelchen neuen Mechaniken: Wir marschieren durch die Level, die zwar recht offen und großzügig gestaltet sind, aber dennoch einen roten Faden vom Anfang zum Ende der Mission spannen. Immer wieder kommt es zu Gefechten, die wir im Idealfall aus der Deckung bestreiten. Noch immer sollte man den perfekten Zeitpunkt für das optimale Nachladen erwischen undsoweiterundsofort – Ihr kennt den Kram ja.
Hinzugekommen ist aber ein zumindest in der Kampagne neues Element: Es gibt immer mal wieder Momente, in denen wir eine Art „Horde“-Sequenz im Rahmen der Story abzuschließen haben. Das bietet ein wenig Abwechslung, bringt Euch aber nicht aus dem Trott. Besonders diejenigen, die bei den „Gears of War“-Spielen die Komponenten außerhalb der Story feiern, dürften hierbei voll auf ihre Kosten kommen. Alle anderen dürfen trotzdem zünftig ballern, insofern dürfte es da also keine Probleme geben.
Darüberhinaus hat man dem Spiel eine bemerkenswerte Action-Regie angedeihen lassen. Immer mal wieder kommt es zu abwechslungsreichen Actionsequenzen. Die kennt man zwar schon aus den Vorgängern, allerdings waren diese bislang nie derartig rasant und gut inszeniert. Langeweile kam während der nicht ganz acht Stunden, die wir für das Durchspielen der Kampagne benötigten, zu keinem Zeitpunkt auf.
Neue Gesichter
Bekanntlich spielen wir in „Gears of War 4“ JD Fenix, den Sohn der Legende schlechthin. Damit tritt er nun wirklich ein schweres Erbe an, aber was sollten die Entwickler auch anderes tun? Rentnersoldaten kann man nun wirklich nicht mehr dauerhaft ins Rennen schicken. Allerdings – und da können wir Eure schlimmsten Befürchtungen locker zerschlagen – ist JD eine ziemlich coole Socker, der seinem Vater in fast nichts nachsteht. Immer einen dummen Spruch auf den Lippen und alles andere als zaghaft im Umgang mit der Feuerwaffe. Auch im aktuellen Ableger der Serie werden die Charaktere nicht einfach nur oberflächlich beschrieben, man taucht vielmehr in die Geschichte ein und fühlt mit den Figuren mit. Das hatte die „Gears of War“-Reihe schon immer gut auf dem Kasten.
Ungewöhnlicher fühlen sich allerdings die Gegner an: Nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Metall und Transistoren kommen sie daher. Das ist zwar hinsichtlich der Fähigkeiten mal eine echte Abwechslung, aber auch irgendwie etwas weniger befriedigend, als etwa die Locust zu zerlegen. Dies gilt aber nicht durchgehend für das ganze Spiel – doch mehr möchten wir an dieser Stelle nicht dazu verraten.
Ungewohnt
Dass „Gears of War 4“ eine Präsentation nach Maß mitbringt, dürfte sich wohl von selbst verstehen. Und tatsächlich: Auf Kompromisse muss man sich weder in Sachen Optik noch beim Sound einlassen. Interessant ist vor allem Akt 1, was den Stil angeht. So bunt, farbenfroh und weitläufig waren die Areale in der „Gears of War“-Reihe wohl noch nie. Das lässt zwar später ein wenig nach, ganz so verkommen-düster wie seine Vorgänger ist das Spiel aber nur an wenigen Stellen. Dabei büßt „Gears of War 4“ aber trotzdem nichts von seinem eigenen Charme und Stil ein. Das hängt schon alleine damit zusammen, dass man neue Finishing-Moves eingebaut hat, die die ohnehin sogar hierzulande ungeschnittene Gewaltdarstellung noch ein wenig blutiger werden lässt.
Der Soundtrack mag nicht mehr so ganz die kultigen Qualitäten wie in den Vorgängern haben, lässt aber dennoch wenig Grund zum Meckern. Dass man die Synchronstimme von Marcus Fenix ausgewechselt hat, dürfte für einige deutsche Spieler vielleicht gewöhnungsbedürftig sein. Qualitativ hochwertig (und teilweise auch ziemlich witzig) ist die Synchronisation aber dennoch.
Teamsport
Viele Zocker geben gar nichts mehr auf Singleplayer-Kampagnen – auch wenn sie bei „Gears of War 4“ wirklich etwas verpassen würden. Trotzdem hat man in Sachen Multiplayer eine ganze Menge in das Spiel gepackt. Ganz egal, ob man die Kampagne kooperativ spielen möchte (ein altes Steckenpferd der Reihe), zusammen den neuen „Horde 3.0“-Modus in Angriff nimmt, oder am liebsten kompetitive PvP-Modi zockt, „Gears of War 4“ bietet diesbezüglich für jeden Geschmack etwas. Während des Testzeitraums konnten wir zwar durchaus den einen oder anderen Blick auf die Multiplayer-Modi werfen, allerdings waren die Online-Server vor dem Launch nicht regelmäßig online, auch gab es nicht unbedingt eine Vielzahl an Mit- und Gegenspielern. Trotzdem: Was wir zu sehen bekamen, war absolut in Ordnung, besonders der neue „Horde 3.0“-Modus bringt ein paar interessante Neuerungen. Das Ganze geht über die üblichen Alibi-Multiplayer-Modi jedenfalls deutlich hinaus und wird die Spieler auch lange nach der Kampagne noch an sich fesseln.
Keine Enttäuschung
Je nachdem, wen man fragt, war der unmittelbare Vorgänger „Gears of War: Judgment“ langweilig, nicht so besonders oder gar schlecht. Da gab es natürlich durchaus Befürchtungen. dass die „Gears“-Reihe ihren Biss verloren hat. „Gears of War 4“ beweist aber eindrucksvoll, dass dem nicht so ist – und das, obwohl man es bis auf wenige Ausnahmen mit neuen Charakteren zu tun hat, die sich nicht auf den „Alte Bekannte“-Bonus verlassen können.
Es wäre jetzt vermessen, zu behaupten, der jüngste Ableger der Reihe sei auch gleichzeitig das absolute Highlight der Saga – so weit wollen wir nicht gehen. „Gears of War 4“ zeigt allerdings, dass die Reihe noch lange nicht tot ist und den Sprung auf die aktuelle Konsolengeneration mit Bravour gemeistert hat. Eine spannende, hervorragend inszenierte Kampagne und solide Multiplayer-Modi – viel mehr kann man ja eigentlich nicht verlangen. Für Fans eine uneingeschränkte Kaufempfehlung, aber auch Neulinge erhalten einen leichten Einstieg in die Reihe geboten.
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