Ubisoft hat es schon wieder getan – das nächste Spiel, das den Titel von „Tom Clancy“ trägt, ist erschienen. „Ghost Recon: Wildlands“ heißt das Ganze und führt uns ausnahmsweise mal nicht in den Krieg gegen den internationalen Terrorismus, sondern „nur“ gegen ein Drogenkartell. Ob das Ganze Spaß macht und ob man sich den Titel direkt zum Launch kaufen kann, erfahrt Ihr in unserem Test.
Olivien aus Bolivien
„Ghost Recon: Wildlands“ erzählt uns die Geschichte eines Drogenkartells in Bolivien. Die Koksmaschinerie läuft dort so gut, dass das Kartell praktisch alles in der Hand hat – bis hin zum Militär. Natürlich sind die USA nicht gerade davon begeistert, schließlich betreibt man schon von je her einen Krieg gegen die Drogen. Etwas größenwahnsinnig geht das Kartell auf direkten Konfrontationskurs mit den USA. Hier kommt dann unsere Spezialeinheit, die Ghosts, ins Spiel. Mit gerade mal vier Mann/Frau sollen wir nun das Kartell destabilisieren und die Rebellen stärken. Eine unserer leichtesten Übungen.
Schon nach kurzer Zeit fällt auf, dass „Ghost Recon: Wildlands“ in beinahe allen Bereichen von anderen Spielen inspiriert wurde. Die offene Spielwelt von Bolivien mit all den Passanten, die Drogenthematik – da werden Erinnerungen an die „Just Cause“-Reihe wach. Die Missionsstruktur erinnert in großen Teilen an die letzten Ableger der „Far Cry“-Serie, ein wenig Taktik von den „Ghost Recon“-Vorgängern und dergleichen mehr. Das sollte man jetzt nicht zwangsläufig als Kritikpunkt verstehen, denn wie wir gleich ausführen werden, funktioniert das in diesem Setting ganz hervorragend. Teilweise dürfte „Ghost Recon: Wildlands“ für unseren Geschmack ein wenig „organischer“ mit diesen Inspirationen umgehen und die einzelnen Bausteine nicht ganz so offensichtlich zeigen.
Gruppenurlaub
Wie eingangs bereits erwähnt, sind wir im Spiel als Viererteam unterwegs. Die Charaktere sind nicht vorgegeben, wir dürfen uns unseren Recken selbst zusammenstellen, sogar das Geschlecht ist wählbar. Ein bärtiger alter Haudegen ist da ebenso möglich wie eine tödliche Kriegerin. Im Singleplayer-Betrieb mag das gar nicht so sehr ins Gewicht fallen, spielt man „Ghost Recon: Wildlands“ aber mit Freunden zusammen, identifiziert man sich schon eher mit seinem Charakter, eine Art Bande zwischen den Figuren kann entstehen. Im Test konnten wir den Titel leider nur zu zweit kooperativ spielen, es wird aber schnell klar: Hier drin steckt die wahre Stärke des Spiels.
Sicherlich, „Ghost Recon: Wildlands“ lässt sich problemlos von Einzelspielern in Angriff nehmen. Man verpasst dabei keinerlei Gameplay-Elemente, keine Missionen, keine Story-Komponenten. Und die KI stellt sich auch deutlich cleverer an, als wir es befürchtet haben – selbst ohne ständig Befehle geben zu müssen, kommen die Computer-Begleiter ziemlich gut zurecht. Was man verpasst, wenn man alleine spielt, ist nicht technischer Natur, sondern sozialer: Es ist einfach durch nichts zu ersetzen, mit Freunden Pläne auszuhecken, wie man einen Anführer der lokalen Sicario-Gang em besten unschädlich machen kann, sich gegenseitig Rückendeckung zu geben und sich zu ergänzen.
Immer auf dem Mittelweg
Dabei ist „Ghost Recon: Wildlands“ aber stets darauf getrimmt, nicht zu trocken zu wirken. Falls Ihr Euch noch an die ersten „Rainbow Six“-Games auf dem PC erinnern solltet, die wirklich sorgfältige Planungen zur Konfliktlösung erfordert haben: Ganz so unnachgiebig ist „Wildlands“ auf keinen Fall. Wenn die Planung schief läuft, und man nicht mehr unerkannt ist, kann man immer noch auf direkte Konfrontation umschalten – und das funktioniert auch als genereller Ansatz ganz hervorragend. Da bleibt dem Spieler die freie Wahl, auch wenn man kein Soldat aus Stahl ist, der Kugeln schluckt, als seien es Gummibärchen.
Ubisoft Paris hat eine recht angenehme Balance zwischen Action und Strategie gefunden, und zwar in dem man den Spielern die Wahl lässt, wie sie die verschiedenen Situationen angehen wollen. Es gibt nur wenige Momente, in denen man in eine der beiden Richtungen gezwungen wird. Es bedarf keiner großen Einarbeitung, und ähnlich wie bei den „Far Cry“-Games kann man mit einem etwas aufgemotzten Charakter so manche Mission, die einen vor Schwierigkeiten stellte, doch recht problemfrei meistern.
Über den Anden
Direkt in den ersten Minuten fällt auf, wie großartig die Spielwelt von „Ghost Recon: Wildlands“ doch aussieht. Man kommt sich tatsächlich so vor, als sei man mitten in Südamerika, wie man es aus Filmen und Fernsehserien über die hiesigen Drogen-Kingpins so kennt. Viel wichtiger noch: Man hat darauf geachtet, dass das Ganze nicht zu steril ist. Es gibt eben nicht nur Kartell und das geschmierte Militär in der Spielwelt, auch ganz normale, unschuldige Zivilisten, die niemandem etwas Böses wollen, bevölkern das virtuelle Bolivien. Atmosphärisch hat man hier etwas Besonderes geschaffen, auch wenn uns die Technik hier und da noch ein paar Steine in den Weg legt.
Weniger gut gefallen haben uns Teile der deutschen Synchro. Die wirkt manchmal ganz schön hölzern, gar „vorgelesen“. Was hier aber ziemlich ärgerlich klingt, ist gar nicht so tragisch, besonders dann, wenn man mit Freunden im Verbund zockt. Dann achtet man sowieso weniger auf Story und Erzählung, da man der persönlichen Kommunikation miteinander viel mehr Aufmerksamkeit schenkt. Um es kurz zu machen: Die Präsentation von „Ghost Recon: Wildlands“ ist gut, aber mit einigen Schwächen.
More of the Same
Die aber wohl größte Schwäche, unter der das Spiel zu leiden hat, ist die Uniformität der Missionen. Es gibt nur eine überschaubare Anzahl an verschiedenen Missionstypen, etwa Nachschubkonvois überfallen – oder auch die leider sehr aufgesetzt wirkenden Verteidigungsmissionen im „Horde“-Stil. Das mag in Zeiten von „Far Cry 3“ und vermutlich auch noch ein wenig darüber hinaus okay gewesen sein, mittlerweile dürfte so ein Missionsdesign die meisten Spieler aber eher langweilen.
Insofern bleibt abzuwarten, was Ubisoft diesbezüglich Post-Launch geplant hat. Es gibt zwar einen riesigen Spielumfang, und man kann Open-World-typisch natürlich auch abseits der Missionen eine Menge Spaß haben – insgesamt wäre den Spielern aber mehr damit gedient gewesen, wenn man den Missionen mehr Varianz, ein wenig mehr Vielseitigkeit mit auf den Weg gegeben hätte. In der Vergangenheit hat Ubisoft einige ihrer Produkte lange mit neuen Inhalten versorgt und wie man an „The Division“ sehen konnte, auch mal nahezu vollständig umgekrempelt. Insofern bleibt es spannend, möglicherweise tut sich an der Missionsfront ja noch etwas.
Ein Knaller für Koop-Fans
Wir geben es gerne zu: Wir sind mittlerweile ein wenig vorsichtig, wenn es um große Ubisoft-Titel geht. „Assassin‘s Creed“ musste ganz schön Federn lassen, und als wir nach 80 Stunden mit „The Division“ gemerkt haben, dass marodierende Banden, die auch vor dem Ausnutzen von Glitches nicht zurückschrecken, die Darkzone nahezu uninteressant für Einzelkämpfer gemacht haben und jegliche Form des Craftings tagelanges Grinding erforderte – da kommt man schon ins Grübeln, wieso das Balancing nicht schneller besser klappt.
Im Fall von „Ghost Recon: Wildlands“ können wir diesbezüglich nur wenig Negatives sagen. Gerade für Koop-Fans ist der Titel ein echter Hit – wenn man mal von einigen kleineren technischen Schwierigkeiten und dem monotonen Missionsdesign absieht. Gerade mit Bekannten steckt hier unheimlich viel Spaß drin, per Matchmaking ist es hingegen eine Frage des Glücks, wie gut die Partner mitspielen und wie gut die Kommunikation klappt. Daher unser Prädikat: „Überraschend gut“.
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