Es war schon lange vor dem Launch abzusehen: „Overwatch“ wird ein echter Publikumsliebling. Nicht nur, dass die Spieler sehnsüchtig auf die Veröffentlichung gewartet haben, auch die Beta war ein absoluter Erfolg. Jetzt ist der Titel im Handel erhältlich – und das ist für uns natürlich ein willkommener Anlass, das Spiel auf Herz und Nieren zu prüfen. Was wir über den Shooter denken, erfahrt Ihr in unserem Test.
Schall und Rauch
Jaja, ihr sollt mal wieder die Welt retten. Okay, eigentlich haben das die Mitglieder der „Overwatch“ schon mal getan. Das Problem daran: Kaum war die Gefahr gebannt, wurden die Helden von gestern schnell vergessen. Und schlimmer noch, Gerüchte um Korruption, Kriminalität und ähnliche Dinge, die sich für Helden nicht gehören, kamen auf und führten letztendlich zur Auflösung der Truppe. Doch wenn die Katze aus dem Hause ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch: Die Kriminalität steigt und es wird schmerzhaft klar, dass die Menschheit ohne die Overwatch einfach nicht klar kommt.
Klingt nicht besonders einfallsreich, oder? Muss es auch nicht, denn selten war die Hintergrundstory so unwichtig wie bei „Overwatch“. Deshalb wird das Ganze auch gar nicht großartig über das Intro hinaus erzählt, es geht schlicht und ergreifend darum, sein Team in den verschiedenen Spielmodi zum Triumph über die gegnerische Mannschaft zu führen. Das kennt man ja in ähnliche Form auch von anderen Multiplayer-Shootern.
Ein ungleiches Team
Wer jetzt allerdings ein bunt verpacktes „Call of Duty“ hinter „Overwatch“ vermutet, könnte kaum mehr irren: Der neue Blizzard-Shooter bietet 21 verschiedene Charaktere an, jede(r) Einzelne davon hat eigene Fähigkeiten, Waffen und Spezialgebiete. Das ist tatsächlich das, was das Gameplay von „Overwatch“ ausmacht: Die Zusammensetzung des Teams ist wichtig. Ein Team, das nur aus Offensiv-Charakteren besteht wird wohl nur unter allergrößten Mühen gegen eine gegnerische Mannschaft bestehen, die auch Heiler, Support- und Defensivkämpfer enthält. Dass so etwas am besten in einer eingespielten Meute funktioniert, dürfte sich dabei wohl von selbst verstehen.
Und es gibt noch eine Sache, in der sich die Konzepte deutlich unterscheiden: Während es bei „Call of Duty“ und „Battlefield“ eine deutliche Progression gibt, man also mitfortschreitender Spielzeit auch Waffen und Perks freischalten kann, gibt es bei „Overwatch“ nichts dergleichen. Auch wenn man tausend Stunden auf der Uhr hat, können die Charaktere trotzdem noch nicht mehr als die eines Anfängers. Alles, was man freischalten kann, ist rein optischer Natur, und das umfasst auch die Mikrotransaktionen.
Dann und wann wird man bei einem Level Up mit einer Lootkiste – wie man sie eben auch mit Echtgeld erwerben kann – belohnt. Diese kann dann die verschiedensten Dinge enthalten: Emotes, Siegesposen, Skins und dergleichen mehr. Davon verändert wirklich gar nichts das Kerngameplay, ob es sich dabei dann wirklich um eine Belohnung handelt, der man entgegenfiebert, ist hingegen für jeden Spieler völlig unterschiedlich.
Ist das schon alles?
Zugegebenermaßen ist „Overwatch“ – egal wie gelungen das Gameplay auch sein mag – aktuell ein wenig spärlich mit Spielmodi und Maps ausgestattet. Ähnlich wie etwa bei „Battleborn“ handelt es nicht um Universal-Maps, sie sind vielmehr an die einzelnen Spielmodi gebunden. Drei Spielmodi und ein Kombimodus mit jeweils drei Maps sind jetzt nicht gerade die Welt. Daran hat man sich recht schnell satt gesehen, immerhin wird es sämtlichen Nachschub an Karten und Spielmodi völlig kostenfrei geben. Dadurch ist auch gewährleistet, dass die Community in einem Stück intakt bleibt.
Abwechslungsreich ist die ganze Veranstaltung dann aber doch – und zwar deshalb, weil die Charaktere sich so unheimlich unterschiedlich spielen. Gerade, wenn man in einem unbekannten Team spielt, wird man wohl oder übel auch mal über den Tellerrande blicken und einen Charakter spielen müssen, der einem eigentlich nicht so sehr liegt. Diese sind in ihren Fähigkeiten so verschieden, dass es trotz der immer gleichen Maps nicht so schnell langweilig wird. Problematisch ist das allenfalls in Hinsicht auf die Zusammensetzung der Teams: Es gibt kein Limit, wie viele Instanzen eines einzelnen Charakters in einem Spiel vorkommen können. Dadurch gibt es zwar keine Streitereien und kein Ärger, wenn die Lieblingsfigur „besetzt“ ist, es sorgt aber auch für teilweise einseitige Teamzusammensetzungen.
Fantastisch!
Shooter haben ja gemeinhin den Ruf der „Killerspiele“ weg – und auch „Overwatch“ kommt nicht ganz ohne das Ausschalten von Gegnern aus. Dabei geht man aber relativ zivil vor, es wohl mehr so eine Art Fantasy-Gewalt. Das liegt einerseits daran, dass es sich bei den Charakteren im Spiel um Superhelden handelt, die ohnehin nie wirklich abtreten, zum anderen auch an der beinahe comichaften Aufmachung. Dadurch konnte man dem Spiel ein 16er Rating verpassen, prinzipiell spräche aber auch nichts dagegen, etwas jüngere Spieler loslegen zu lassen.
So etwas muss man mögen – wer auf Fotorealismus steht, ist hier natürlich völlig falsch aufgehoben. Zweifelsfrei klar ist allerdings, dass man damit schon fast so eine Art Exotenbonus kassiert, gerade in der Konsolenwelt gibt es nur wenig Vergleichbares. Außerdem ist das Ganze technisch sehr solide und mit stabilen 60 FPS auch hinreichend flüssig – anders würde man es von einem Kultentwickler wie Blizzard wohl auch nicht erwarten.
Immer her mit dem Nachschub
Wir haben eingangs ja bereits erwähnt, dass „Overwatch“ aktuell noch etwas schwach auf der Brust ist, was die Inhalte angeht. Das dürfte zum jetzigen Zeitpunkt so manchem Spieler ein Dorn im Auge sein, gerade die ursprüngliche Planung, einen „Free to Play“-Titel aus „Overwatch“ zu machen, dürfte so manchen voller Ärger aufschreien lassen. Wie lohnenswert der Kauf letztendlich sein wird, muss sich noch zeigen. Da allerdings nicht einfach nur Maps, sondern auch Spielmodi und sogar Ranglistenspiele angekündigt sind, und Blizzard die hauseigenen Titel (gutes Beispiel: Diablo 3) lange und ausgiebig mit kostenlosen Inhalten versorgt, haben wir diesbezüglich nur wenige Bedenken.
Und so ist „Overwatch“ aktuell ein Spiel mit kleineren Schwächen, bei dem man sich auf die nähere Zukunft freuen darf. Sich mit den verschiedenen Charakteren auseinanderzusetzen, macht eine Menge Spaß – und wenn man diese so richtig beherrscht und eine Lücke in einer Mannschaft ausfüllen kann, ist das Ganze gleich noch einmal so gut. Der Hype um „Overwatch“ ist sicherlich nicht ganz grundlos, aber ob die Faszination auch über einen längeren Zeitraum bewahrt werden kann, muss noch unter Beweis gestellt werden.
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