„Watch Dogs“ war seinezeit zwar ein durchaus unterhaltsames Spiel – aber eben leider nicht das fantastische Erlebnis, mit dem man uns bei den Messepräsentationen den Mund wässrig machte. Am Ende blieb wenig von dem, was man uns versprach, und genau das hat die Spieler ein wenig mißtrauisch gemacht, was das neue „Watch Dogs 2“ angeht. In unserem Test zeigen wir Euch, ob man dieses Mal in der Lage ist, ein spannenderes Erlebnis als beim Vorgänger abzuliefern.
Ab an die Westküste
Ihr habt doch nicht geglaubt, dass das teuflische Betriebssystem ctOS nach den Ereignissen in „Watch Dogs“ der Vergangenheit angehört, oder? Tatsächlich versucht man, das Ganze als neuen de-Facto-Standard zu etablieren – und als nächster Stützpfeiler bietet sich jetzt San Francisco an. Mit dem Umzug findet auch ein Wechsel beim Protagonisten statt. Statt dem von vielen als eher dröge wahrgenommenen Aiden Pearce schlüpfen wir jetzt in die Haut von Marcus Holloway.
Der löscht sein polizeiliches Führungszeugnis von den ctOS-Servern – und das ist für die Hackergruppe DedSec Grund genug, ihn als würdig für den Beitritt zu erachten. So richtig optional scheint das für die Leute aber nicht zu sein, denn besonders rücksichtsvoll geht man dabei nicht mit Marcus um. Bevor er sich versieht, steckt er mitten im Kampf gegen ctOS und dessen Betreiber.
Paradigmenwechsel?
An und für sich hat „Watch Dogs 2“ die meisten Elemente vom Vorgänger geerbt. Klar, es gibt ja ohnehin nur eine begrenzte Menge an Dingen, die man bei einem Open-World-Titel anders machen kann als bei der Konkurrenz. Es wird Auto gefahren, geballert, gehackt, entdeckt, gesammelt und dergleichen mehr. Für sich betrachtet ändert das Spiel aber so Einiges an dem, was die Vorlage überlassen hat.
Wir erinnern uns: Eine zünftige Ballerei war bei „Watch Dogs“ nicht nur eine legitime Option, es gehörte auch durchaus fest zum Spielbetrieb dazu. Im Nachfolger sieht man das ein wenig anders: Marcus Holloway ist eher schlacksiger Nerd als Rambo, keine nahezu unverletzbare Kampfmaschine. Insofern kann man die Haudrauf-Methode zwar durchaus nutzen, es empfiehlt sich aber nun wirklich nicht.
Das mag in dieser Form zwar ein wenig von der Freiheit, das Spiel so zu zocken, wie es einem beliebt, nehmen, setzt aber auch notwendige Barrieren, um eine neue Richtung vorzugeben. Um „Watch Dogs 2“ von anderen Open-World-Titeln zu differenzieren. Das ist tatsächlich auch mal ein wenig erfrischend.
Salonfähig
Ubisoft spielt hier ganz bewußt mit dem Bild eines Hackers, wie es die Medien so gerne darstellen. Während „Hackers“ in den 90ern noch unheimlich coole und schöne Menschen zeigte, die sich durch dreidimensionale Representationen des Cyberspace hackten, Spätestens, als vor zehn Jahren „The Big Bang Theory“ startete, sind Nerds salonfähig geworden. Sie dürfen etwas verschroben aussehen, seltsame Hobbies haben und sind dennoch cool. Und das hat dann auch bei „Watch Dogs 2“ Einzug gehalten. Marcus Holloway ist tatsächlich optisch eher nerdig, nicht selten erinnern Handlung und Erzählung ein wenig an „Mr. Robot“.
Wer sich tatsächlich ein wenig mit Hacking beschäftigt hat, dürfte dadurch ein wenig zwiegespalten sein. Natürlich hat Hacking und Cracking nichts damit zu tun, irgendwelche Bauteile in einem 3D-Virtual-Space so lange zu drehen, bis der Großrechner seinen Widerstand aufgibt. Man hat versucht, das Ganze in eine Art und Weise zu verpacken, mit der eine möglichst große Gruppe an Spielern gut zurecht kommt. Und das ist augenscheinlich der irgendwie coole Nerd, der seine ganze Existenz rund um das Netz der Netze ausgerichtet hat.
Ein Schritt zurück?
Rein spielerisch funktioniert „Watch Dogs 2“ zwar recht gut, viele der Komponenten fühlen sich aber dennoch ein wenig „roh“ an. Das betrifft sowohl das Fahrzeug-Handling als auch Dinge wie Kampf und auch die neu dazugekommene Parkour-Action fühlt sich nicht mal annähernd so flüssig und natürlich an wie es etwa bei „Assassin‘s Creed“ der Fall ist. Wir sind ziemlich sicher, dass hier noch das eine oder andere am Handling per Patch verbessert wird.
Und auch die Technik hat so ihre Tücken: Gerade bei der Framerate gibt es immer wieder Unregelmäßigkeiten, Ruckler und dergleichen mehr. Und auch die notorischen Textur-Aufpopper dürfen nicht fehlen. Es kann also durchaus passieren, dass man ein außerordentlich hässliches Auto um die Ecke fahren sieht, bevor alle Details nachträglich geladen werden. Das alles ist schwer nachvollziehbar, da die Straßen des virtuellen San Francisco so stark entvölkert sind, dass es schon negativ auffällt. Es handelt sich um eine Metropole, und trotzdem kommt man sich vor, als würde man unter der Woche nachts durch ein 100-Seelen-Dorf wandern. Das hat der Vorgänger aber deutlich besser gemacht, so leblos sind Open-World-Games nun wirklich selten.
Immerhin sind dafür Sprachausgabe und vor allem der Soundtrack von hoher Güte. Letzterer besteht aus einem Lizenzsoundtrack für die Radiosender, der großartige Künstler von Bob Marley über „Run The Jewels“ bis hin zu „Crystal Castles“ featured. Und weil das eben noch nicht genug war, gibt es einen Score aus der Feder von Hudson Mohawke. aus Schottland. Und der hat es durchaus in sich und vertont so ein wenig die innere Zerrissenheit der Situation im Spiel.
Die nächste Schote
Ubisoft hat in den letzten Jahren echt so manchen Schlag hinnehmen müssen – und auch „Watch Dogs 2“ bleibt von solchen Launch-Einschränkungen nicht verschont. Konkret handelt es sich dabei um den nahtlosen Übergang von Single- zu Multiplayer, der nicht funktioniert und deshalb bis zur Behebung komplett abgeschaltet wurde. Das lief zwar beim Vorgänger einigermaßen reibungslos, wirklich viel Spaß hat uns das damals aber nicht gemacht, weshalb wir hier von „Glück im Unglück“ sprechen würden. Immerhin bleibt die Möglichkeit, das Ganze im Koop zu spielen, davon unangetastet.
Und ganz ehrlich: Das nervt ein wenig. Kaum ein großer Release von Ubisoft kommt ohne Einschränkungen daher – sei es bei den Features, bei der Technik oder beim Balancing. Wir wollen doch einfach nur dramafreies Zocken, wir wollen nicht irgendwelche Ankündigungen und Patchlogs verfolgen müssen. Und vor allem wollen wir ein Spiel nicht erst zwei bis drei Monate nach dem Launch in vollem Umfang zocken können, sondern sofort nach dem Kauf. Wir legen die Kohle schließlich auch auf einen Schlag auf den Tisch und nicht erst über die darauf folgenden Wochen verteilt.
If you‘re going to San Francisco…
Das Prädikat „Absoluter Superhit“ können wir „Watch Dogs 2“ nun wirklich nicht verleihen – auch wenn es in vielerlei Hinsicht die Dinge besser macht als sein Vorgänger. Es gilt wohl wie immer „Wo viel Licht ist , ist auch viel Schatten“. Wenn Ihr also „Watch Dogs“ gefeiert habt, werdet Ihr sicherlich auch hier auf Eure Kosten kommen – trotz diverser Unzulänglichkeiten. Aber auch der neueste Ableger schafft es nicht so ganz, das Franchise auf ein neues Niveau zu heben. Nach wie vor ist die „Watch Dogs“-Reihe voll ungenutztem Potential.
Im zweifellos starken Gaming-Jahr 2016 hat „Watch Dogs 2“ also ein wenig die Nischenposition eingenommen. Sicherlich handelt es sich hier nicht um ein schlechtes Spiel, die erhoffte Revolution bleibt aber einmal mehr aus.
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